Electronics Watch Monitoring: Fokus auf China

Aus den Ergebnissen der letzten Bewertung der Risiken in der Elektronikindustrie in China durch Electronics Watch geht hervor, dass insbesondere die folgenden Arbeitsrechtsverletzungen von Bedeutung sind: Zwangsarbeit, die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz, übermäßige und illegale Überstunden, Bezahlung zu geringer Sozialversicherungsbeiträge, Verstöße gegen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, missbräuchliche Kündigungen und Verletzungen des Rechts auf Kollektivverhandlungen. Die Recherchen und Monitoring-Aktivitäten für diese regionale Risikobewertung, die wir im Oktober 2016 unseren Mitgliedern übermittelt haben, wurden von drei erfahrenen Monitoring-Organisationen durchgeführt – Economic Rights Institute, Globalization Monitor und Labour Education Services Network.

Mitglieder von Electronics Watch können die Risikobewertung und das inkludierte Informationstool heranziehen, um ihren IT-Anbietern die Problematik zu verdeutlichen und gezielte Maßnahmen zur Verringerung dieser Risiken zu ergreifen. In der Bewertung wird insbesondere auf ein strukturelles Problem hingewiesen, das zu einem höheren Risiko von Zwangsarbeit führen kann: Die Strategie von Arbeitgebern, starke Schwankungen der Auftragslage durch den Einsatz billiger, flexibler Arbeitskräfte auszugleichen. Das inkludiert beispielsweise:

Studentische Arbeitskräfte. Elektronikhersteller arbeiten üblicherweise mit berufsbildenden Schulen bzw. Fachhochschulen zusammen, um Studierende für eine kurzfristige Beschäftigung als PraktikantInnen zu rekrutieren. Diese Studierenden haben in der Regel keinen Einfluss darauf, wo und wann sie solche Praktika absolvieren, und ihre Arbeitstätigkeit hat häufig nichts mit ihrem Studiengebiet zu tun. Trotzdem müssen sie diese Praktika absolvieren, um ihr Studium abschließen zu können. In solchen Fällen kann es sich bei der Beschäftigung von PraktikantInnen um Zwangsarbeit handeln (d.h., Zwang zur Arbeit unter Androhung einer Bestrafung). Öffentliche Auftraggeber sollten in Zusammenarbeit mit ihren IT-Anbietern Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Studierende gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nur Praktika absolvieren müssen, die für ihre Studiengebiete relevant sind, und ebenso auf die Einhaltung neuer Vorschriften bestehen, wonach der Anteil „vollzeitbeschäftigter studentischer PraktikantInnen“ an der gesamten Belegschaft höchstens zehn Prozent und in bestimmten Einsatzbereichen höchstens 20 Prozent betragen darf.

Leiharbeitskräfte. Elektronikhersteller haben seit Langem die Dienste von Leiharbeitsfirmen in Anspruch genommen, um sich bei hoher Produktionsnachfrage billige zusätzliche Arbeitskräfte zu beschaffen. Die Bezahlung der LeiharbeiterInnen entspricht in etwa jener der regulär Beschäftigten, sie haben aber keinen sicheren Arbeitsplatz und sind nicht sozialversichert. LeiharbeiterInnen können sich auch weniger gegen Ausbeutung wehren, da sie nicht durch ein formelles Arbeitsverhältnis mit dem Hersteller geschützt sind, in dessen Fabrik sie arbeiten. Öffentliche Auftraggeber sollten in Zusammenarbeit mit ihren IT-Anbietern sicherstellen, dass der Anteil der LeiharbeiterInnen an der gesamten Belegschaft den neuen Vorschriften gemäß höchstens zehn Prozent beträgt.

Überstunden. Einerseits sind Überstunden in der Regel verpflichtend und nicht freiwillig, und gesetzliche Arbeitszeitbeschränkungen werden selten eingehalten. Andererseits wollen die meisten ArbeiterInnen in der Elektronikindustrie aufgrund der niedrigen Löhne auch von sich aus Überstunden leisten. Dieser Wunsch nach Mehrarbeit hat allerdings seine Grenzen. Forderungen nach übermäßigen Überstundenleistungen waren in einigen Fabriken mit ein Grund für Streiks, insbesondere wenn die bezahlten Überstundenzuschläge geringer waren als gesetzlich vorgesehen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber, gemeinsam mit ihren Anbietern auf eine Lösung des Problems mit den übermäßigen Überstunden hinzuwirken. Erstens sollten die Anbieter sicherstellen, dass Überstunden korrekt bezahlt und nicht auf Wochentage konzentriert werden, um die höheren Zuschläge für Wochenendarbeit zu vermeiden. Zweitens sollten die Anbieter darauf hinwirken, dass die Arbeitszeiten – wie gesetzlich gefordert – auf Grundlage von Verhandlungen zwischen den Beschäftigten und der Betriebsleitung festgelegt werden. Arbeitgeber sind nach dem chinesischen Arbeitsrecht verpflichtet, die Beschäftigten zu Rate zu ziehen, bevor sie Überstunden verlangen, während die ArbeiterInnen das Recht haben, übermäßige Überstunden zu verweigern. Würde das Mitwirkungsrecht bei der Festlegung der Arbeitszeiten in größerem Ausmaß respektiert, wären auch mehr ArbeiterInnen de facto in Kollektivverhandlungen eingebunden und kämen damit in den Genuss eines der grundlegenden Arbeitsrechte.

Langfristig sollten die Anbieter anerkennen, dass es einen Zusammenhang zwischen niedrigen Löhnen und übermäßigen Überstunden gibt und beide Problematiken nur gemeinsam zu lösen sind. Die Löhne der ArbeiterInnen liegen weit unter dem Existenzminimum. Tatsächlich sind sie so niedrig, dass die meisten ArbeiterInnen ihre Kinder nicht in die Städte mitnehmen können, in denen sie arbeiten. Sie lassen sie vielmehr in ihren ländlichen Herkunftsgebieten zurück, unter Obhut der Großeltern oder anderer Verwandter. Die Zahl dieser „zurückgelassenen“ Kinder wird auf 61 Millionen geschätzt, ein Fünftel aller Kinder in China. Diese Tragödie ist die Kehrseite des Wunsches der ArbeiterInnen, viele Überstunden leisten zu können.